Nur ungern erinnere ich mich an die Ausstellung »Wege in die Moderne. Weltausstellungen, Medien und Musik im 19. Jahrhundert«, die 2014 im Germanischen Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg veranstaltet wurde. Was war es dort langweilig – ausschließlich über hundert Jahre altes Gerümpel!
Ungleich lieber erinnere ich mich an die zur gleichen Zeit in den Kellergewölben des GNM vonstattengegangene Ausstellung »Wege in die Modernde. Methoden, Werkzeuge und Kurioses aus der Geschichte der Nekrophilie«.
Diese war jedoch nur sehr schlecht besucht, es herrschte eine Stimmung wie auf dem Friedhof. Das lag einerseits wohl daran, daß für diese Ausstellung außer mit olfaktorischen Mitteln vor Ort so gut wie keine Werbung gemacht wurde. Andererseits, so hörte ich damals aus lokalen Nekrophilenkreisen, war der emanzipatorisch-feministische Teil der Nekrophilenszene erbost darüber, daß sich die Ausstellung fast ausschließlich auf männliche Vertreter beschränkte, weswegen diese Leute der Schau die kalte Schulter zeigten (anstatt sie sich dort anzusehen). Endlich einmal wurde man aus dem Orkus der Abseitigkeit befreit und mit einer Ausstellung gewürdigt, und dann war es dieselbe Kackscheiße wie sonst überall! Es war zum Totemäusemelken! »Wege in die Modernde« – als handle es sich bei Nekrophilie ausschließlich darum, daß Cis-Männer den Geschlechtsverkehr mit weiblichen Leichen vollziehen, äußerten sie ihren berechtigten Unmut. Diese Vorstellung fuße gewiß auf dem sattsam bekannten Vorurteil, welches aufgrund unterdrückter Triebe Homosexualität auf Analverkehr unter ungebührlich promiskuitiven Männern reduziert. Dabei würden sehr wohl auch heterosexuelle Cis-Frauen wie auch LGBTQ*-Personen ihre Lust mit toten Körpern ausleben! Erbost verzogen die so Gekränkten sich in ihre Kellergeschoßwohnungen, hörten dort von den Dead Kennedys über Cannibal Corpse bis hin zu Pungent Stench alles, was das Herz beschwert, und schrieben todessehnsüchtige Briefe an ihr yet-to-become-Idol, den Sex Pistols-Sänger Johnny Rotten – die sie nie abschickten. Gemeinhin ist das Ableben von populären KünstlerInnen ihrer Popularität und ihren VermarkterInnen eher förderlich denn abträglich, Johnny Rotten aber hat das seltene Pech, daß ein Teil seiner Fanbase seit je auf postmortem-Verehrung festgelegt ist. Wegen der nie abgeschickten Briefe weiß er davon allerdings nichts. Daß er bei Signierstunden gelegentlich auf T-Shirts mit dem Aufdruck »Punks better be dead!« unterschreiben soll, hält er, wenngleich aus den falschen Gründen, für einen makabren Scherz. Ihn umzubringen traute sich lediglich aus Abergläubigkeitsgründen bislang niemand. Wenn der wüßte! Und wenn die erführen, daß er in echt Johnny Lydon heißt!
[Hinweis: Die Beitragsüberschrift ist diesmal besonders gut.]