16.3. «Schreiben Sie uns k e i n e Emails, die wir nicht mit J a oder N e i n beantworten können!», herrscht uns der Dozent damals in der Einführungsveranstaltung für Stücker 300 Erstsemester an. «Sehr geehrter Herr M.: Da ich Ihnen nur Emails schreiben darf, die Sie mit Ja oder Nein beantworten können: Arsch auf?!», denke und maile ich nicht. Nicht zuletzt, weil es mir eben erst einfällt.
17.3. Die Drogerieindustrie will mich mürbe machen. Seit ich Deodorant benutze, nimmt sie alle eineinhalb bis zwei Jahre meinen Duft aus dem Sortiment. Ohne Ankündigung, ohne Entschuldigung, ohne jemalige Produktwiederaufnahme. Mitte 2016 dann mein Kaugummi – Wild Berry wird sukzessive in allen Märkten durch Tropical Fruit ersetzt. Kürzlich die Zahnpasta. –
Bald ist sie am Ziel. Aber warum ich?
18.3. «Rindergeschnetzeltes Stroganoff?! Nein, sowas von den Russen essen wir nicht!», schalmeien die beiden Ehepartner uno voce ihrer verdutzten Enkelin jovial über die Wirtshaustafel hinweg zu, um kurz darauf nicht Wiener Schnitzel, sondern Schnitzel Wiener Art mit Pommes zu bestellen, denn «Pommfritz gibt’s ja bei uns daheim nie!», wie sie selbander jodeln.
«Naja, ihrer beider Geburtsjahr ist zugleich das Jahr der Machtübernahme Hitlers», klärt mich die Enkelin beinahe konzedierend auf, als sie vor ihrer Schicht den Salon du Fromage-Kittel anzieht und vom Familienessen berichtet. «Und zum Abendbrot gab’s dann Kalte Kriegsplatte.»
19.3. Nachdenklich.
20.3. Wort, an dessen allmählichem Verschwinden ich mit schuld bin, da ich es aktiv nie verwende: mithin.
21.3. Idee für ein neues Musiksubgenre: Birth Metal – ekelhaft wie Death Metal, aber lebensbejahend. Statt nur mit Blut, wie im Death Metal verbreitet, beschmieren sich die MusikerInnen vor den Auftritten mit blut-und-gebärmutterflüssigkeitsähnlichem Kodder. SängerInnen dürfen nur screamen; Birth Metal-Bands, die Growls und/oder Klargesang einsetzen, gelten als wannabe bzw. untrue. Problem: Die Band mit dem allerpassendsten Namen, Baby Metal, gibt’s schon.
22.3. Wenn ich eine Person auswählen könnte: Wen würde ich dazu bestimmen/verdammen, ewig leben zu müssen? Und würde sie/er es schaffen, die Erde und das Sonnensystem zu verlassen, bevor die Sonne, wie prophezeit, in ein paar Milliarden Jahren sich zum Roten Riesen aufbläht und die Erde in einen Lavaplaneten verwandelt? Was, wenn nicht?
23.3. Im Bücherregal eines Freundes steht das Buch ‹Sadisten Witze›. Mir kommt der Käse von den «Bergbauern Höfen» (Lidl, 150 g, € 2,49) wieder hoch.
24.3. Nimm das, Internet: Der unter AutorInnen der ‹alternativen Szene› beliebt gewordene Rant, d.h. das von lärmendem Auskübeln mehr oder minder verschleierter Invektiven begleitete Zetern über mißliebige Dinge und Sachverhalte wie Tiefkühlpizza oder Sperrzeitenregelungen, ist, weil lediglich pubertär-larmoyantes Genöle, nichts weiter als die minderwertige Form der literarischen Kunstform Polemik.
25.3. Der Stürmer kann sagen: «In dieser Saison schoß ich 26 Tore und legte zehn auf. Mithin bin ich Topscorer der Liga!» Der Verteidiger kann sagen: «Heut ham wir immerhin keine Bude gekriegt und die andern könn‘ sich freun, daß wir kein‘ kaputtgefoult ham.» Was hingegen leistet der Blogschreiber? Alles und nichts.
26.3. Mein Lieblingswort des Lateinischen: nempe. Es bedeutet ‹allerdings, freilich› und hat, deswegen Lieblingswort, besonders in bairischer Zunge einen zauberhaften Klang, so bauchig-gemütlich wie Wampe. Es nähme sich sehr gut aus in Gleichgültigkeits-Redewendungen wie «Jomei, dös is mir nempe!», dann in der Bedeutung von ‹egal, wurst, rille, wumpe, einerlei, schnuppe, schnurz›.
27.3. Enttäuschung beim Blick ins Bücherregal: Bei seiner zweibändigen Georg-Büchner-Werkausgabe Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente vergab der Deutsche Klassiker-Verlag leichtfertig die Chance, diesen Zwiespänner Sämtliche Büchner in zwei Büchern zu nennen.
28.3. Guter Rat von Max Goldt, einem an guten Raten Rats Räten Ratschlägen reichen Schriftsteller, auf einer Werbung für eine in Berlin statthabende Lesung: «Ziehn Se sich wat Schicket drunter – Sie lern‘ vielleicht attraktive Leute kennen.» Ob er auch eine Lösung hat für das Problem, daß frau in den kältesten Zeiten des Jahres auf sexi Unterwäsche in Form von Strumpfhosen zurückgreifen kann, während mann von langen Unterhosen stets ins Infantil-Dämliche, jedenfalls Vorpubertäre zurückgeworfen wird? In fremden Wohnungen blieben ihm in Fällen, wo’s noch drauf ankommt, nur zwei Möglichkeiten: Entweder im Bad die lange Pumpel ausziehen und dann heimlich im Flur in den Parkaärmel schoppen, oder: «Sorry, ich hab grad die Du-weißt-schon-Tage…»
29.3. Heute nichts.
30.3. Weniges bereitet mir so starke Unlust wie der Viktualieneinkauf im Supermarkt. Mehrmals die Woche muß ich mich dazu überwinden. Es liegt allerdings nicht nur an mir, die Märkte tragen selbst mit Schuld daran. Etwa in Form von Tomatenmarktuben, die auf der Vorderseite ausschließlich mit ganzen Tomaten samt Tomatengrün bedruckt sind, worüber auf der Seite der Tube ein unauffälliges, aber inferior-scheinheiliges Wort behauptet: Serviervorschlag.
Ach!
31.3. Weil meine Zahncrème kürzlich aus dem Sortiment genommen worden war, hatte ich mich erstmalig für eine dieser Whitening-Pasten entschieden. Des häufigen Kaffee- und Teegenusses wegen. «Spürbar weißere Zähne nach nur 14 Tagen!» plärrt eine/n die Tube an. Wie soll ich‘n das spüren?, hatte ich mich gefragt. Gestern Abend dann die Antwort: Ich spürte es, nach nur 13 Tagen, als ich in einer dunklen Gasse einer Gruppe Neonazis begegnete und sie leuchtend angrinste. «Ein Nafri!», schrie einer von ihnen, woraufhin sie mich bis zum Bahnhof jagten, wo ich sie zwar abhängen konnte, mir jedoch beim Fluchtmaneuver das Knie an einem Mülleimer anhaute.
(Offenlegung: Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine bescheidene Hommage an Heinz Strunks allmonatlich in der TITANIC erscheinendes fiktionales Tagebuch Intimschatulle (Profi-Salon du Fromage-LeserInnen erkannten das freilich schnell). Heinz Strunk forderte mich dazu allerdings, sei’s nolens sei’s volens, auch auf, wie dieser Beitrag von neulich beweist.)