Alte Leute

Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: Am Personal-/Bibliothekseingang steht ein älteres Paar und rätselt, wo der richtige Eingang, der zum Museum, sei. Ich, gerade von der Kaffeepause kommend, nähere mich der Szenerie. Als ich das Paar passiere, dreht sich dessen Frau zu mir und sagt:

»Wo ist denn hier der Eingang zum Museum«

Blank dergestalt, kein »Entschuldigung bitte, …«, kein »Verzeihen Sie …« oder ähnliches. Nachdem ich ihnen Auskunft gab, ziehen sie ab, ohne sich zu bedanken oder gar zu verabschieden.

Kneipe »Café Express«, Nürnberg: Eine dreiköpfige Bluesrockband gibt ein Konzert. Es ist nicht nur voll, sondern geht eng her im Gastraum. Nach der Show räumen die Musikanten (»Doc Knotz, Keili Keilhofer [sic] [und ein Dritter, Name vergessen]«) ihr Instrumentarium ins Auto raus. Mit Freunden stehe ich nahe des Eingangs um den nicht mehr besetzten Kassen-Stehtisch.

Eines der Bandmitglieder, weißhaarig und um die 60, nähert sich mit einem Riesentrum in der Hand, ich halte ihm selbstverständlich die Türe auf. Er geht vorbei, ohne sich zu bedanken oder sonst wie sich äußernd. Als er wieder reinkommt, stößt er Freund Mattes, der unglücklich im Eingansbereich steht (es ist schlicht kein Platz), wortlos die Faust ins Kreuz und will ihn wegdrücken. Wir wundern uns über so viel Unverschämt- und Mundfaulheit.

Als er mit der Basstrommel auf dem Weg nach draußen ist, öffne ich ihm abermals die Türe. Wieder latscht er vorbei, ohne einen Ton zu sagen oder anderweitig Beachtung zu zeigen. Ich bescheide ihm: »Da kann man fei danke sagen«, woraufhin er zurückschnauzt: »Naa komma ned!«, zu Deutsch: »Nein, kann man nicht!«

Sauna: Eine ältere Frau, stets im leopardenen Louis-Vuitton-Bademantel auf ihrem Louis-Vuitton-Handtuch im Liegestuhl rumlungernd, ist während des Aufgusses in einer Tour dabei, ihrem Mann irgendwelche Sachen ins Ohr zu labern. Das nervt mich, denn ich bin der Ansicht, es gebe nur recht Weniges, was man während eines zehnminütigen Aufgusses unbedingt mitteilen müsste und nicht bis nach dessen Ende warten könne. Aber wer bin ich, da gleich rumzumosern.

Als sie nach dem Aufguss – fast alle verlassen die Kabine, unter anderem sie und ich bleiben noch ein wenig hocken –, komplett alle Rücksicht fahren lässt und daherlabert, als befänden wir uns im musikdurchwogten Wirtshaus, bitte ich freundlich darum, ob wir nicht noch eine kleine Schweigeminute einlegen könnten, sei doch die Sauna ein Ruhebereich.

Woraufhin ihr nichts Besseres einfällt, als mich anzuraunzen, das stimme überhaupt nicht, in der Sauna dürfe man außerhalb des Aufgusses ganz normal reden. Dass andere davon gestört sein könnten, kommt ihr scheint’s nicht in den Sinn. Der Sinnlosigkeit des Gesprächs eingedenk entgegne ich ihr: »Darüber können wir jetzt gerne streiten, aber bitte schweigend.«

Ihr passt das merklich gar nicht, aber weil ihr wohl kein Konter einfällt, ist sie endlich still.

Wenn ihr mich fragt: Alte Leute sind ganz schöne Wichser, und irgendjemand sollte ihnen mal wieder Manieren beibringen.

»Aber das kann man erstens so krass gar nicht sagen und zweitens stimmt es überhaupt nicht!« Doch. Und doch.

Gewiss, die Klage über die Alten mag alt sein, alt wie die Menschheit gar. Der alte Hesiod z.B., einer der ersten Menschen überhaupt, sagte schon: »Ich habe keine Hoffnung mehr für die Zukunft unseres Volkes, wenn sie von den leichtfertigen Alten von heute abhängig sein sollte. Denn diese Alten sind ohne Zweifel unerträglich, rücksichtslos und altklug. Als ich noch jung war, lehrte man uns gutes Benehmen und Respekt vor den Eltern. Aber die Alten von heute wollen alles besser wissen.«

Augen- und ohrenscheinlich, ach was: alle-Sinnen-scheinlich (sie stinken ja auch so! Außerdem schmecken sie fürchterlich und fühlen sich grauenhaft an) hat diese Klage nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Ob es schlimmer geworden ist, lässt sich ad hoc nicht beantworten. Sicher ist nur: So, wie es zum Wohle aller eine gute Idee wäre, alten Leuten von Zeit zu Zeit eine erneute Führerscheinprüfung abzuverlangen, scheint es sinnvoll, für nach dem Erwerbsleben eine erneute Schulpflicht einzuführen. Wo die Leute von gestern an die Erfordernisse von heute herangeführt werden.