Empirische Medienwissenschaft

Diejenige Wissenschaft, die mich bei der Beschäftigung stets etwas dümmer gemacht hat, ist die (fast) ausschließlich empirisch arbeitende Medienwissenschaft. Nie habe ich da auch nur einen klugen Gedanken, oder gar einen Gedanken überhaupt gelesen. Immer nur Collagen aus Statistiken, Marktanteilen, Umfragen und Sendungs-, nein: Formatbeschreibungen.

Leute, die sich wissenschaftlich mit beispielsweise Talkshows oder anderem TV-Müll auseinandersetzen, sind immer exakt so dumm wie diese Formate selbst. Ihr größtes und logischerweise ungelöstes Problem ist, ob sie in ihren Aufsatz- und Buchkacken nun »Reality-TV«, »Reality TV« oder »reality tv« schreiben sollen.

Alles, was solche Medienwissenschaftler*innen können, ist, sich mit Schlüsselbändern drei USB-Sticks um den Hals hängen und in ihren PowerPoint-Präsentationen mit Abbildungen aus Hans Meisers »Notruf« die Folien nicht mit Maus oder Tastatur weiterschalten wie Normale, sondern mit einem Presenter zum Herumlatschen incl. Laserpointer, und freilich haben sie strebermäßig immer geladene Batterien drin, die sie, wenn leer, in den Boxen nach den Discounterkassen entsorgen.

Jemand hat ihnen mal erzählt, dass in den USA polizeiliche Verfolgungsjagden im Fernseh gezeigt werden, und davon haben sie auch mal was auf Videokassette gesehen. Tragen tun sie hässliche Sakkos oder Blazer und statt Frisuren haben sie einfach gestutzten Haarwuchs. Fressen tun sie zwischendurch Fertigsandwiches aus durchsichtigen keilförmigen Plastikschachteln vom Yorma’s am Bahnhof, die sie in der Früh nachm Aussteigen aus der S-Bahn mit Kopfhörern in den Ohren und zwei USB-Sticks um den Hals gekauft haben.

Ihre Schuhe sind bestenfalls so Lederschaluppen zum Reinschlüpfen oder widerliche Deichmannpflunzen mit viel zu langen Schnürsenkeln. In ihren Texten differenzieren sie erstmal bzw. systematisieren und dann sagen sie, das gehört dazu und das gehört dazu, und ein Fazit braucht’s gar nicht, denn es ist ja schon alles aufgeschrieben.

Statt dass sie Wahlwerbespots als das bezeichnen, was sie sind – höchst alberner und leerer Lug und Trug und als bloße Form ihr sich selbst anklagender Inhalt –, und so behandeln, wie sie es verdienen – mit völliger Nichtbeachtung –, hocken sie sich alle vier Jahre hin und schreiben Analysen darüber, wie Christian Lindner in Schwarz-Weiß macht und warum Die Grünen immer so extrem unästhetische Plakate mit vorne und hinten nicht zusammenpassenden Farben machen.

Kleine und Kleinstparteien existieren nur, weil Medienwissenschaftler*innen ihnen auch mal 0,01–4,9 % Platz in ihren Texten und Vorträgen einräumen. Am allerschlimmsten sind sogenannte Medienethiker. Sie haben mal eine Vorlesung Moralphilosophie ins linierte Schulheft geschrieben und das Buch »Ethik für Dummies« wegen des schönen Umschlags im Regal stehen. Den Rest haben sie sich mit Blinkist-Zusammenfassungen draufgeschafft.

Deswegen sagen sie in die Fernsehkamera »Was der und der macht, ist moralisch natürlich problematisch, aber es ist nicht verboten«, und was wolltste da machen, nech. Auf ihren Windows-Desktops mit der grünen Wiese sieht es aus wie Sau, weil noch Verknüpfungen von lauter alten Studi-Präsentationen herumliegen.

Auf ihren Tagungen müssen fünfmal so viele Bahlsen-Gebäckschälchen herumstehen als anderswo, auf Tellerchen oder in anderes Porzellan brauchst du die nicht umzuschichten, weil sie nur an Schoko, Fett und Zucker interessiert sind. Als ›Kaffee‹ kannst du ihnen irgendeine viel zu dünne oder viel zu dicke teerige Brühe in die ekligen Kannen schütten, sie saufen ihn gleichwie aus ›abgespülten‹ Tassen mit Alträndern unten drin.

Die Teebeutel kannst du wieder mitnehmen und das heiße Wasser in den Ausguss gießen, aber der eine da hat sich schon mal ne Tasse Grünen gebrüht (und den Beutel dann neben den fehlenden Mülleimer geschlonzt, wo er heute noch klebt). In jedem ihrer Texte steht Jürgen Habermas’ »Strukturwandel der Öffentlichkeit« im Literaturverzeichnis. Die zwei Stellen, die sie daraus indirekt zitieren, sind, mit einem gelben und einem lilanen Page-marker versehen, zum Aufschlagen bereit.

In den Lustigen Taschenbüchern fanden sie die Mickey-Mouse-Geschichten immer am tollsten. Noch in den Dissertations-Verteidigungen fragen sie die Prüflinge nach dem Unterschied zwischen Struktur und System, weil sie in den mündlichen Proseminar-Prüfungen noch nicht genug Spaß daran hatten.

Die Medienwissenschaft ist die Fach-gewordene SPD. Sie tut zwar so, als sei ihr einziges Anliegen die Erkenntnis, was sie progressiv mache. Aber eigentlich ist sie bloße »Wissenschaft« wie z. B. die sogenannten Wirtschaftswissenschaften, und daher rotlackierte CDU.

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