Meine drei zuletzt gesehenen Serien

Unbreakable Kimmy Schmidt (Netflix): Kimmy Schmidt und drei andere Frauen werden aus einem Bunker somewhere in Indiana befreit, wo sie von ihrem Entführer namens Richard Wayne Gary Wayne 15 Jahre lang festgehalten wurden. Die provinziell-naive Kimmy beginnt nach der Befreiung ein neues Leben in New York, wo sie mit dem Broadway-Wannabe Titus Andromedon eine WG bildet. Sehr, sehr lustig, äußerst hohe Pointendichte, alles andere als deep, aber angenehm weird, watcht sich leicht weg, kurz: hervorragende Sitcom, sei anempfohlen!

Fleabag (AmazPri): Wohl als Dramedy zu bezeichnen, wobei der Dramaanteil im Laufe der Serie starkes Übergewicht erhält. Fleabag ist die sympathische Hauptfigur (ob sie wirklich so heißt, wird nicht klar, weil in der ganzen Serie kein einziges Mal ihr Name fällt; Fleabag jedenfalls bedeutet ›a dirty and/or unpleasant person or animal‹ bzw. ›verwahrloster Streuner, Flohfänger; Ekel, Mistkerl, Mistvieh‹). Sie fickt, flucht, faucht raucht in einer Tour und kriegt ihr Leben nicht ›richtig‹ auf die Reihe. Somewhere in London betreibt sie ein kleines, erfolgloses Café, das sie mit ihrer besten Freundin gründete, die sich accidentally suizidierte. Die zweite Staffel kann eins sich imho schenken, die erste ist aber sehenswert (sind auch nur 6 Ep. à ~25 Min.).

Sherlock (Netflix): Ja leckt mich am Arsch, so was Nerviges wie Benedict Cumberbatch als Sherlock »Mr. Oberschlau hoch Tausend« Holmes habe ich ja noch nie gesehen! Wie er aus den winzigsten Details an Verstorbenen wie Lebenden beinahe komplette Lebensgeschichten rekonstruiert bzw. deduziert, soll seine extraordinäre (?) Auffassungsgabe zeigen, ist aber nur hanebüchen und albern geraten und, am schlimmsten: fürchterlich nervig. Das Feuilleton ›feiert‹ das freilich ›ab‹ und hält es für teilweise »perfekte [🙄] Unterhaltung«; das Publikum (meint: die Feuilleton-Schreiber*innen) würde Sherlocks Fähigkeiten bewundern und beneiden, obwohl er doch eingestandenermaßen – oh, er ist so selbstreflektiert! – ein »hochfunktionaler Soziopath« sei. Es ist halt dumm wie je. Aber das Feuilleton geilt sich auch an unerträglichen Oberarschlöchern und -widerlingen wie Frank und Claire Underwood aus House of Cards auf (brach ich nach einer Staffel ab); mei, die Qualitätspresse wähnt sich halt gerne als am Zentrum der Macht nuckeln dürfend. Ich jedenfalls sage: Sherlock »Hallo i bims ihr integral intellektualgemeinen Geistesmaden« Holmes, nein danke. Die literarischen Vorlagen Sir Arthur Conan Doyles habe ich nicht gelesen, Sir, und kann gar nicht beurteilen, inwieweit die Serienmacher ihnen folgen oder es selbst übertreiben, Sir. Nach nicht einmal 30 von 90 Min. der ersten Folge jedenfalls verlangte ich danach, auszuschalten. Das hätte ich nicht länger ausgehalten.

»Spaßtelefon«, »Straßenverkauf«

Dienstag, 26. November 2019. Das Bayern-1-Spaßtelefon – mein Radiowecker spielt diesen Sender momentan, weil er das gelegentlich sehr instabile und rauschende wo nicht flirrisierende Klassik Radio frequentiell benachbart –, das Bayern-1-, in Fachkreisen auch genannt »Bauern 1«, -Spaßtelefon jedenfalls (»Der lustigste Anschluss Bayerns«) lässt sich vernehmen, wie es bei einem Imbiss anruft, der, zwei (!) Zuhörer*innen sollen darauf hingewiesen haben, Straßenverkauf anbietet, und gibt vor, ja lolleralollol, eine Straße kaufen zu wollen. Man habe da, bestallt mit einem seltsam benamsten Übersetzer, einen arabischen Scheich zu vermitteln, der nun die angebotenen Straßen kaufen wolle. Im Hintergrund hören wir schlecht und schäbig rudimentär-klischeehaft imitiertes »Arabisch« (der goutierte, freilich verleugnete Rassismus), das vom seltsam benamsten (warum eigentlich?) Übersetzer »übersetzt« wiedergegeben wird, der vermittelnde Spaßtelefon-Telefonierer vermittelt, die angerufene Imbissmitarbeiterin indes beharrt bemitleidenswert insistierend darauf, es würden schlicht Speisen auf die Straße durchgereicht.

Nun ist es gewiss gähnenstreibend, sich über die ewige Reproduktion des Immergleichen im Formatradio und sonst wo zu mokieren. Doch sei hier dennoch angemerkt und getadelt oder vielmehr geschimpft: Freundinnen* und Freunde, seid beglückwünscht, dass ihr bei der Programmdirektion mit euren »Scherzanrufen« nach wie vor durchkommt – und bei euren Hörerinnen erst! Wie viele sich freuen, endlich auch mal dranzukommen bzw. dranbekommen zu werden (?), doch: Wir schreiben das Jahr 2 0 1 9 und die Bezeichnung »Straßenverkauf« prangt derart lange an den Speiseschnellstuben, dass sie sich höchstens noch metametameta- und/oder shitpostingmäßig auf Twitter komisch verarbeiten lässt (dort hießest du notabene vielkanals »SpaBtelefon«), das Ablaufdatum der gewöhnlichen Fehldeutung durch bewusstes Falschabbiegen an der Ambiguitätsgabel jedoch war ca. oder vielmehr exakt, sagen wir: 1995.

Warum ich das dennoch aufschreibe? Ich kenne Leute, die sich lachend über solche Scherzanrufe amüsieren. Deren Haltbarkeitsdatum: 1995.

Der Gazetteur

»Als Backöfen: Deutsche Bahn vermietet Waggons an Bäckereien« – dergestalt wäre diese als »Witz« missverstandene bloße Postillonesque immerhin nicht so unangenehm ungelenk geschrieben.

Über das steindumme »Praktisch.« ist kein Wort mehr zu verlieren als »steindumm«. Wer nichts drüberzukommentieren hat, soll es halt bleiben lassen, und sich nicht vom Nasenring der bloßen Möglichkeit wie ein geknechtetes Rindviech umherziehen lassen. (Wobei: Der Dumme bin hier eigentlich ich; höre ich doch nicht auf die per Punkt unbewusst hingedübelte Empfehlung, doch an Ort und Stelle aufzuhören zu lesen.)

Davon abgesehen: Wie lange ist dieser bedauerliche 50-°C-Vorfall in einem ICE nun schon wieder her? Um niemandem eine Googelei aufzuzwingen: Es war im Juli 2010, d.h. vor n e u n Jahren. Dass es ansonsten sommers bei zwei bis drei (2–3!) % der ICE-Klimanlagen zu Störungen kommt, kann nur für Trottel ein zu versatirendes Ärgernis darstellen.

»Der Gazetteur« sollte es imho ganz bleiben lassen, auch die ankumpelnde Drunterkommentiererei auf Twitter. Und sich dann eine Weile lang schämen, dass er mit dem »Postillon« die schaumstoffharte bzw. Gummischwert-Kopie der US-amerikanischen Satireseite »The Onion« kopiert. – »Der Gazetteur«, der Adabei des Onlinehumors.

PS: Das Komma im Slogan des Gazetteurs, es ist wahrscheinlich auch Satire: »Der Gazetteur. Bringt Tatsachen, statt Nachrichten.«

 

Komikkritik: Nein. Quarterly

Akademiker*innen scheinen Eric Jarosinskis »Nein. Quarterly« (er über sich auf Twitter hinter einer Adorno-Vignette: »A Compendium of Utopian Negation«) mitunter innig zu lieben. Aber warum? Weil es in der »Zeit« erscheint?

Ich habe keine Ahnung, was ich damit anfangen soll. Lacht man da drüber? Lässt man sich »zum Nachdenken anregen«? Mich jedenfalls berührt es in seiner Trockenheit und Sprödigkeit so sonderbar unangenehm, dass ich nur weg will davon. Was es – wie Profilbild und Gehabe implizieren sollen – mit Kritischer Theorie im Speziellen oder Dialektik im Allgemeinen zu tun haben soll, bleibt mir verschlossen.

»Die Zeit« beschreibt seine Sachen als »abgründige Sinnsprüche«, die auf Twitter Zehntausende Follower fänden, und freut sich, seine Printkolumne drucken zu dürfen.

Mir kommt das nur vor wie Reiswaffeln pur ohne dazu was trinken zu dürfen.

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NB: Lesenswert dazu ist die Humorkritik aus TITANIC 9/2015: http://www.titanic-magazin.de/humorkritik/2015/september/hk/mein_bloeder_zwilling-8

Komikkritik: Gedichtetag auf der taz-Wahrheit

Der wöchentlich wiederkehrende Ankündigungstext der Gedichte-Rubrik der taz-Wahrheit lautet: »Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Die Leserschaft darf sich an einem Poem über … erfreuen.« Aber was soll das?, nur weil Gedichte mancherorts den Ruf der angestaubten Form haben mögen – im Deutschunterricht werde man dahingehend eh bloß mit über hundert Jahre altem Zeug gequält, wen interessiere dieses Schnarchzeug –, braucht man doch nicht so altertümelnd daherzuschreiben. Warum nicht gleich: »Die Recipienten dürffen sih an Poeterey über … erfrewen«?
Über die veröffentlichten Gedichte nichts.