Wo ist was

So manche*r las als Kind Wissenswertes über das Weltall, die Dinosaurier, erstaunliche Technologie und anderes in der Kinderbuchreihe WAS IST WAS des Tessloff Verlags. Mir selbst hat sich diese Marke so sehr eingebrannt, dass ich mir beim Anblick des folgenden Tessloff-Kleinkinderbuchs – völlig zurecht, meines Erachtens – die alberne Frage stelle: Warum heißt das nicht WO IST WO?

Zugegeben, der Titel gäbe nicht viel Inhalt her (»Links ist links.«, »Oben ist oben.«, …), außer man behandelte ihn philosophisch. Aber ich habe eine Slightly-offtopic-Anekdote: Im Bachelorstudium der Germanistik besuchte ich ein Hauptseminar namens »Das Motiv des Sterns bei Paul Celan«. Neben Poetologischem, Kabbalistischem und Holocaust- wie Antisemitismusthematisierendem war zentraler Gegenstand des Seminars Celans Beschäftigung mit physikalischen und technologischen Erscheinungen, unter anderem aus den Bereichen Astronomie und Astrologie. Das Referat der Sitzung zu den beiden letztgenannten Themen hielt eine Person, die das Seminar wahrscheinlich aus stundenplanökonomischen Gründen besuchte. Die Quellenliste am Ende ihrer Präsentation zeugte von ausgeprägter Lustlos- und Wurschtigkeit und versprühte das redbullgesättigte Air des »Die ersten drei Google-Treffer für ›Astrologie‹«. Enthielt sie doch u. a. – ich schwöre, ich lüge nicht – eine URL von wasistwas.de. Und zwar bierernst als adäquate Informationsquelle. Jede*r sollte von mir aus mit bestmöglichen Ergebnissen bei geringstmöglichem Aufwand von der Uni abgehen, aber darüber habe ich mich doch geärgert. Ich meine, wasistwas.de, im notabene Lehramtsstudium?! Mit so einer Quelle wirst du in der 8. Klasse Realschule vom Hof gejagt.

Aussprachehilfen

Die berühmteste Tochter von der Elbe
Ist nach wie vor der Spice Girls’ Mel B.

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Am schönsten in der Alten Mälze
Sang nach wie vor der Spice Girls’ Mel C.

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Am liebsten schlug der Spice Girls’ Emma
Die anderen Girls im Ring bei MMA

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Als liebsten Snack aß Mon Chérie
Das rote Spice Girl, die Geri

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Der Ehemann aus den Hallen von Moria
Sie elfengleich sportlich: Spice Girl Victoria

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Dem Rotkehlchen, Vogel des Jahres 2021

Beim Betrachten der heimischen Rotkehlchen-Tasse – die sich nicht in diesem Haushalt befindet, weil das possierliche Tierchen (?) zum Vogel des Jahres 2021 gewählt wurde – fällt mir auf, dass ich diesem Siegertier schon mal ein Gedicht gewidmet habe. Der Einfachheit halber sei es hier zitiert:

»Rotkehlchen
Trinken aus
Sektkelchen
Essen gern
Enkelchen
Werden ge-
Tötelchen
Mit einem
Beielchen.
«

Dass ein Allerweltsgetier wie das Rotkehlchen Vogel des Jahres werden kann, liegt zuvörderst daran, dass der Titel dieses Jahr nicht einfach vom NABU vergeben wurde, sondern zum 50. Aktions-Jubiläum per Bevölkerungswahl. Und der Bevölkerung fällt freilich kein gesichtsloserer Piepmatz als das Rotkehlchen ein. Bzw. doch, belegen die weiteren Topplätze unter den 307 Arten nämlich: 2. Rauchschwalbe, 3. Kiebitz, 4. Feldlerche, 5. Stadttaube, 6. Haussperling, 7. Goldregenpfeifer, 8. Blaumeise, 9. Eisvogel, 10. Amsel. Gähn! (Not-so-fun-fact: 1992 wurde das Rotkehlchen schon mal Vogel des Jahres, damals vom NABU gekürt. Gähn!)

Mein Favorit aus der Liste der bisherigen Vögel des Jahres ist übrigens der Pirol (1990). Er heißt und ist von allen Ausgezeichneten imho am schönsten und dieses Mal nur 35. geworden.

Meine persönliche Hitliste 2021 (in Klammern die tatsächliche Platzierung):

  1. Sumpfläufer (307); gerne als Sum-pfläufer auszusprechen
  2. Spornpieper (306); Mords den Jieper auf Spornpieper?!
  3. Rohrschwirl (305); wer rohrschwirlt, hat’s leichter?
  4. Skua (304); klingt wie ein merkwürdiges Musiksubgenre
  5. Rohrammer (282); der Rohrammer ist nicht zimperlich und stößt dem Nachwuchs das Essen stets ungegart und mit Schmackes in den Rachen
  6. Dunkler Sturmtaucher (263) / Dunkler Wasserläufer (297); death to all but metal
  7. [n.v. wg. Doppelbeleg. Pl. 6]
  8. Orpheusspötter (274); pfeift Orpheus beim Verlassen der Unterwelt hämisch hinterher, will sich dessen hinter ihm der Unterwelt entsteigende Gemahlin Eurydike schnappen, die aber von Hermes endgültig ins Reich der Toten verbracht wird, weil Orpheus sich nicht an das Verbot der Persephone hält, sich nach der Gemahlin umzusehen; eine Geschichte, die der Orpheusspötter seither von allen griechischen Dächern pfeift
  9. Gryllteiste (189) / Tordalk (128); so könnten skandinavische Metalmusiker heißen
  10. [n.v. wg. Doppelbeleg. Pl. 10]
  11. Ortolan (81); klingt wie Medizin

 

Mr. Oberschlaus Oberstufenprahlerei

Hat sich schon irgendein Schlauberger darüber mokiert, dass der Ausdruck »steigende Fallzahlen« bei Lichte besehen ein Oxymoron ist.


Und übrigens: Barbar, wer bei »steigende Fallzahlen« nicht an Schillers poetologisches Distichon »Das Distichon« denken muss: »Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, / im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.« (Musen-Almanach für das Jahr 1797)

tagesschau-Material für den Deutschunterricht

Bei dieser Überschrift ist die rhetorische Figur der Hypallage – auch genannt Enallage – in doch unerwarteter Umgebung zu beobachten. Zur Auffrischung der Erinnerung: Im Gegensatz zum Hyperbaton, bei dem komplette Satzglieder (teilweise) vogelwild astandardisch versprengt sind, versetzt der Dichter bei der Hypallage ein (meist) Attribut so, dass es beim falschen oder ›falschen‹ Bezugswort zuliegen kommt.
Allerdings: Lassen wir beispielsweise Goethe ein schludriges oder selbsttrunken-euphorisches, womöglich sogar ernsthaft-absichtlich krauses »Faßt bald des Knaben / Lockige Unschuld« (Das Göttliche, 1785) gerade so durchgehen, weil er halt der größten Deutschen Dichter der Deutschen größter Dichter ist, so fassen wir uns bei der größten Deutschen Nachrichtensendung doch ans Hirnkastl und fragen uns, ob es nicht doch sinnvoller, um nicht zu sagen sinnhafter, ja geh weiter: sinnenreich wäre, von für VW-Kunden folgenreichen Urteilen zu schlagzeilen. Aber »ach!« (Goethe, passim)