Vor zwei Monaten schrieb Stefan Gärtner in seiner wöchentlichen Titanic-Kolumne »Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück«: »Wer mehr als eine Hose hat (und ich habe gewiss sieben), darf sich immer fragen, ob der Gegenwert der spätestens dritten nicht bei der Flüchtlingshilfe anzulegen gewesen wäre«. Jetzt ging mir vor kurzem von meinen vier Hosen eine kaputt und so evident scheinen mir Gärtners hypotaxenschlagende Argumentationen seit je, dass ich mich frage, ob ich mir, trotz seiner eingestandenermaßen sieben, moralisch gesehen überhaupt eine neue kaufen darf.
Mit der heutigen Ausgabe endet seine Kolumne nach sieben bzw. zehn Jahren. All den Angegriffenen, Behandelten, Gemaßregelten des herrschenden Betriebs mag sie nichts geholfen haben; hat sie doch auch wohl niemand von ihnen je gelesen. Mir hat sie, Frühstück um Frühstück, viel geholfen. Ihr geringstes, wenngleich nicht geringes Verdienst wäre, dass ich um die Bedeutung des Ausdrucks »autochthon« weiß, und zwar, darum nicht gering, nicht nur im lexikalischen Sinne. Geholfen hat sie mir irgendwann so viel, dass ich Gärtner hin und wieder abwatschen mochte, weil er dann doch mal so gleißend danebenlag und etwa Frauen altherrenreaktionär ihren verbalen Umgang mit der Menstruation diktieren wollte.
Drum sei der Zukunft keine Träne vorausgeweint. Gedankt sei’s aber ihm.
Gefragt habe ich mich im übrigen immer, wie er es Woche für Woche schaffte, mitten in die Texte so passgenaue Zitate zu montieren, die eins oft erstmal kennen musste. Dass mir da das letzte – es sind die Schlusssätze aus dem meines Wissens letzten vom denkschulstiftenden Adorno publizierten Text, »Resignation« – nicht recht schmeckt, weil es ein bissl selbstgerecht schmeckelt, fügt sich immerhin ins Obige ein.
https://www.titanic-magazin.de/news/gaertners-kritisches-abschiedsfruehstueck-versuch-ueber-die-muedigkeit-11649/